Technik und Sport vereint: Mattias Ekström hat weit mehr erreicht als nur im Rennen zu glänzen.
Technik und Sport vereint: Mattias Ekström hat weit mehr erreicht als nur im Rennen zu glänzen.
23 bewegte Jahre verbrachte Mattias Ekström, mit Sicherheit einer der vielfältigsten Motorsportler aller Zeiten, mit Audi. Nun hieß es für die vier Ringe Abschied nehmen. Kurz bevor der Ausnahme-Athlet endgültig „Adjö“ sagte, trafen wir ihn im Audi House of Progress in Wien und sprachen über seine Karriere und allem voran das seiner eigenen Meinung nach technologische Highlight seiner Karriere: Die Rallye Dakar an Bord des von ihm mitentwickelten Audi RS Q e-tron.
Man soll aufhören, wenn man am besten ist. Für Mattias Ekström gilt dieses Sprichwort nicht. Der schwedische Rennfahrer zählt nämlich zu jenen Ausnahmetalenten, die in ihrer Karriere immer wieder Höheflüge verbuchen konnten. Und die nicht etwa nur in einer Disziplin, sondern in vielen. In den 23 Jahren, die Mattias Ekström zusammen mit Audi verbrachte, stand er 17 Saisons lang in der DTM-Startaufstellung, fuhr fünf Saisons World Rallycross Championship und nahm drei Mal an der Rallye Dakar teil. In dieser Zeit holte Ekström zwei DTM-Titel und einen Sieg bei den 24h von Spa, gewann zwei Mal die Rallycross-Weltmeisterschaft und setzte auch abseits klassischer Motorsportstätten Meilensteine – etwa als er 2019 mit einem speziell ausgerüsteten Audi e-tron Technologieträger die Streif bezwang; den legendären Skihang des Hahnenkamm-Rennens. Bergauf selbstverständlich – auf verschneiter Piste, bei Steigungen von bis zu 85 Prozent. Zu steil, um zu Fuß hinaufzugehen.
Mattias Ekström vor seinem speziell ausgerüsteten Audi am Fuße der legendären Mausefalle.
Mattias Ekström vor seinem speziell ausgerüsteten Audi am Fuße der legendären Mausefalle.
Für Ekström selbst stand neben dem Rennfahren vor allem der technische Aspekt des Motorsports im Mittelpunkt. Durch seine vielseitig einsetzbaren Talente lernte Ekström in seiner Karriere die unterschiedlichsten Rennfahrzeuge kennen – auf der Rennstrecke genauso wie loser Piste. Das für ihn größte Highlight: „Der Audi RS Q e-tron bei der Rallye Dakar“, sagt der heute 46-jährige.
Mattias, du hast das Rallye Dakar Projekt von Audi fast vier Jahre lang begleitet. Was hast du aus dieser Zeit mitgenommen?
Mattias Ekström: „Für mich war das gesamte Dakar-Projekt ein Highlight. Sicher, Etappensieg, Prolog-Sieg, das zählt für einen Rennfahrer viel. Aber für mich war es mindestens genauso spannend, an der Entwicklung des Autos beteiligt zu sein, alle Funktionen zu lernen, das gesamte Konzept zu verstehen. Das waren fast vier Jahre durchgehendes Abenteuer – von den ersten Metern, die du fährst, bis zu dem Zeitpunkt, wo das Auto zu 100 Prozent konkurrenzfähig ist. Die verschiedenen Komponenten abzustimmen und für zwei Wochen Rennbetrieb in der Wüste vorzubereiten, war irrsinnig spannend. Ich hoffe, dass ich so etwas wieder erleben darf, aber meine Erwartung ist, dass das der technologische Peak meiner Karriere war.“
Ein dynamisches Duo - Mattias Ekström (links) und Emil Bergkvist (rechts).
Ein dynamisches Duo - Mattias Ekström (links) und Emil Bergkvist (rechts).
Mit dem Audi RS Q e-tron habt ihr ein völlig neues Antriebskonzept an den Start gebracht, bei dem die Räder von zwei Elektromotoren angetrieben werden. Worin liegen die Vorteile?
Mattias Ekström: „Das Auto ist wie ein Supercomputer. Ich glaube, der Audi RS Q e-tron ist in technischer Hinsicht komplexer als ein Formel 1 Auto. Aber für den Rennfahrer ist er gleichzeitig einfacher zu steuern, weil du dich zum Beispiel nicht auf das Schalten konzentrieren musst, während du mit Vollgas durch die Wüste fährst. Außerdem hatten wir mit Abstand den geringsten Spritverbrauch aller Teilnehmer. Unser Tank kann maximal 340 Liter aufnehmen, die Gegner haben teilweise 450 bis 500 Liter im Gepäck. Das ist auch ein Gewichtsvorteil, der dich letztendlich schneller macht.“
Gibt es deiner Meinung nach technische Elemente, die ein Straßenfahrzeug von dem Audi RS Q e-tron übernehmen könnte?
Mattias Ekström: „Ein großer Vorteil, den wir gegenüber herkömmlich angetrieben Fahrzeugen haben, ist das Rekuperieren, also das Bremsen durch die Elektromotoren. Der Audi RS Q e-tron benötigt die mechanischen Bremsen an vielen Stellen überhaupt nicht mehr. Und weil beim Rekuperieren Energie erzeugt wird, erhöht das auch die Effizienz des Fahrzeugs. Ich denke, dass sich in dieser Hinsicht auch bei den Straßenfahrzeugen noch viel weiterentwickeln wird.“
Mattias Ekström im „House of Progress“ in Wien, wo er über seine beeindruckenden Erfolge und technologischen Meilensteine während seiner Zeit bei Audi sprach.
Stets mit einem Lächeln: Mattias Ekström blickt auf eine vielseitige Karriere zurück.
Mattias Ekström im „House of Progress“ in Wien, wo er über seine beeindruckenden Erfolge und technologischen Meilensteine während seiner Zeit bei Audi sprach.
Stets mit einem Lächeln: Mattias Ekström blickt auf eine vielseitige Karriere zurück.
Bevor du dem Audi Dakar Team beigetreten bist, warst du 16 Jahre lang für Audi in der DTM unterwegs. Auf der Rennstrecke gibt es Auslaufzonen, man kennt die Kurven. Bei der Dakar ist das völlig anders. Wie bereitet man sich auf eine solche Herausforderung vor?
Mattias Ekström: „Bei mir hat es ungefähr eineinhalb Jahre gedauert, bis ich die Rallye Dakar als Sportart verstanden habe. Das ist etwas völlig anderes als die DTM oder auch die WRC. Dein Co-Pilot sagt dir zwar, in welche Richtung du fahren musst und wo möglicherweise Gefahren lauern könnten. Das ist also ähnlich wie bei der WRC, aber dort kennst du die Strecke, die Kurven, du fährst vorab besichtigen. Bei der Dakar gibt es das nicht. Dort, wo du fährst, fährst du einmal, und das wars. Also musst du auch als Fahrer die Natur lesen können – es ist ein bisschen wie Memory spielen.“
Zum Abschluss: Gibt es einen Moment, der dir nach der heurigen Dakar-Ausgabe ganz besonders in Erinnerung geblieben ist?
Mattias Ekström: „Es war natürlich ein Auf und Ab der Gefühle. Den ersten Teil der Rallye habe ich sehr positiv in Erinnerung. Wir haben das Auftaktrennen, also den Prolog, gewonnen, und wir konnten auch einen Etappe gewinne. Der zweite Teil besteht eher aus schmerzlichen Erinnerungen. Nach dem Schaden an der Hinterachse waren unsere Siegchancen dahin, das war schon sehr bitter. Aber wir konnten danach zumindest Carlos und Lucas unterstützen, die am Ende den Gesamtsieg holen konnten. Das ist ein sehr schöner Erfolg für das Team und die Bestätigung, dass sich die lange Vorbereitung und das Aufbauen des Antriebskonzept ausgezahlt haben.“
Mattias Ekström zieht nach 23 Jahren bei Audi eine beeindruckende Bilanz: zwei DTM-Titel, Dakar-Erfolge und der innovative Audi RS Q e-tron. Ein bemerkenswerter Abschied aus dem Motorsport.
Mattias Ekström zieht nach 23 Jahren bei Audi eine beeindruckende Bilanz: zwei DTM-Titel, Dakar-Erfolge und der innovative Audi RS Q e-tron. Ein bemerkenswerter Abschied aus dem Motorsport.
Eine Sache, die Mattias Ekström im Audi House of Progress beim abschließenden Plaudern ebenfalls durchblicken ließ: Er ist stolz auf seine Karriere zusammen mit Audi.
Mattias Ekström: „Für Audi Sport an den Start zu gehen, war für mich die Erfüllung eines Kindheitstraums. Die mehr als zwei Jahrzehnte mit den vier Ringen auf dem Auto verbinde ich mit vielen tollen Erinnerungen. Ich hatte die Chance, mir meine Träume zu erfüllen, wie in der DTM zu fahren, Rennen und Titel zu gewinnen und Rennautos zu entwickeln. Den Gewinn des DTM-Titels im Jahr 2004 werde ich immer in Erinnerung behalten. Aber es ging um mehr als nur Motorsport. Ich durfte so viele interessante und talentierte Menschen kennenlernen und an großartigen Events teilnehmen. Im Motorsport ist es schon eher die Seltenheit, so lange mit demselben Unternehmen zusammenzuarbeiten und ich bin sehr dankbar für diesen Lebensabschnitt. Ich kann mich nur bei allen bei Audi bedanken.“
Die Freude war aber freilich ganz unsererseits, lieber Mattias.