Bei Elektrofahrzeugen bringt jede kleinste Verbesserung der Aerodynamik mehr Reichweite. Dr. Moni Islam, Leiter Entwicklung Aerodynamik/Aeroakustik Audi, über das Streben nach Perfektion bei den Audi e-tron Modellen.
Protokoll: Bernd Zerelles - Foto: Robert Fischer - Lesezeit: 8 min
Audi e-tron Sportback: Stromverbrauch kombiniert¹: 21,6–24,0 kWh/100 km (WLTP); CO₂-Emissionen kombiniert¹: 0 g/km (WLTP) Audi e-tron: Stromverbrauch kombiniert¹: 22,0–24,3 kWh/100 km (WLTP); CO₂-Emissionen kombiniert¹: 0 g/km (WLTP) Für die Fahrzeuge liegen nur Verbrauchs- und Emissionswerte nach WLTP und nicht nach NEFZ vor.
„Der Luftwiderstand ist der dominierende Fahrwiderstand im alltäglichen Kundenbetrieb eines Elektrofahrzeugs. Bereits im Normzyklus, der im WLTP gefahren wird, beträgt sein Verbrauchsanteil für den Audi e-tron Sportback zum Beispiel etwas über 40 Prozent. Dagegen geht etwas weniger als 20 Prozent des Verbrauchs in diesem Zyklus in die Beschleunigung des Fahrzeuggewichts. Bei einem Fahrzeug mit einem sehr guten cw-Wert wie dem Audi e-tron Sportback ist der Luftwiderstand bereits ab ca. 80 km/h der dominante Fahrwiderstand. Auf der Landstraße bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h stellt der Luftwiderstand über 60 Prozent des gesamten Fahrwiderstands dar. Fährt man auf der Autobahn konstant 140 km/h statt 100 km/h, verdoppelt sich der Luftwiderstand ungefähr, was zu einer Verbrauchserhöhung von etwas über 60 Prozent führt. Würde der Fahrer seine Geschwindigkeit bei dieser Langstreckenfahrt von konstant 140 km/h auf 120 km/h reduzieren, würde er rein wegen des reduzierten Luftwiderstands gute 60 Kilometer an elektrischer Reichweite gewinnen. Elektrofahrzeuge können in ihrer Batterie systembedingt weniger Energie mit sich transportieren als konventionelle Fahrzeuge mit einem Kraftstofftank. Mit dieser elektrischen Energie müssen wir daher besonders sorgsam haushalten. Für uns Ingenieure ist das ein enormer Ansporn, dass wir deshalb für alle Audi e-tron Fahrzeuge die bestmögliche Aerodynamik entwickeln.“
Aerodynamik bei einem Fahrzeug bedeutet: Luft trifft auf ein Hindernis und wird abgebremst und verwirbelt. Die Kunst ist, diese Luft bestmöglich an das Fahrzeug anzuformen und darum herum oder hindurch zu lenken (rot = schnell, blau = langsam).
Dr. Moni Islam ist seit 2001 für Audi tätig: Nach unterschiedlichen Stationen im Audi Konzern verantwortet der Kanadier seit 2012 die Entwicklung Aerodynamik/Aeroakustik.
Aerodynamik bei einem Fahrzeug bedeutet: Luft trifft auf ein Hindernis und wird abgebremst und verwirbelt. Die Kunst ist, diese Luft bestmöglich an das Fahrzeug anzuformen und darum herum oder hindurch zu lenken (rot = schnell, blau = langsam).
Dr. Moni Islam ist seit 2001 für Audi tätig: Nach unterschiedlichen Stationen im Audi Konzern verantwortet der Kanadier seit 2012 die Entwicklung Aerodynamik/Aeroakustik.
„Andererseits bringen Elektrofahrzeuge eindeutige konzeptionelle Vorteile für eine effiziente Aerodynamik mit, wie den komplett geschlossenen, von vorn bis hinten glatten Unterboden, der konstruktiv erst durch die Batterie und den Entfall der Abgasanlage ermöglicht wird. Wir haben lange gerungen mit den Kollegen der Fahrwerksentwicklung, dass alle wesentlichen Fahrwerksteile der Achsen unter den Unterbodenverkleidungen geschlossen verborgen bleiben. Tunnel, Tank, Abgasanlage – all das, was bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsantrieb Verwirbelungen verursacht, gibt es bei Elektrofahrzeugen so nicht mehr. Das bringt enorme aerodynamische Vorteile. Dazu kommt: Ein Elektromotor verfügt über einen viel höheren Wirkungsgrad als ein Verbrennungsmotor. Er gibt viel weniger Wärme an die Umgebung ab, muss viel seltener und in geringerem Umfang gekühlt werden. So können wir Kühlluftkonzepte entwickeln, die für die Aerodynamik vorteilhaft sind. Wie die steuerbaren Kühllufteinlässe am Singleframe unserer Audi e-tron Modelle. Das ist eine ganz wesentliche aerodynamische Maßnahme im Vorderwagen. An diesen zwei Lufteinlässen gibt es jeweils ein Jalousiesystem, das je nach Kühlluftbedarf des Fahrzeugs automatisch elektronisch geregelt geöffnet oder geschlossen wird. Wir Aerodynamiker sagen: Die Jalousien müssten immer zu sein, damit keine Strömung hineinfließt und Verluste verursacht, sondern die Luft soll unter und über dem Fahrzeug abtauchen. Am Steuerungssystem landen jedoch auch andere Anforderungen des Fahrzeugs: Ich brauche Kühlluft, weil ich den Innenraum kühlen muss. Dann öffnen sich die Klappen. Jedoch gelingt es uns bei Audi durch ein sehr intelligentes Kühlluftmanagement, die Jalousien zu weiten Teilen des Fahrzyklus zu schließen – und so den cw-Wert zu reduzieren.”
Ich will schnelle, ungestörte Luft am Fahrzeug.
„Der cw-Wert wird ja oft auch als die Güte einer Form bezeichnet. Wir streben natürlich immer an, den cw-Wert unserer Fahrzeuge von einem Modell zum nächsten zu verbessern. Unser Audi e-tron mit virtuellem Außenspiegel verfügt über einen cw-Wert von 0,27, was in der SUV-Klasse mit zu den besten Werten am Markt gehört. Viele der aktuell erhältlichen SUV weisen einen schlechteren Wert auf. Deswegen sind wir besonders stolz darauf, mit einem vollwertigen SUV diesen so hervorragenden Wert erreicht zu haben. Durch seine strömungsgünstige Grundform hat der Audi e-tron Sportback sogar nur noch einen Luftwiderstandsbeiwert von 0,25.
Gibt es eine Grenze nach unten beim cw-Wert? Meine persönliche Einschätzung ist, dass es in absehbarer Zeit nicht möglich sein wird, ein alltagstaugliches, für den Kunden attraktives Serienfahrzeug mit einem Luftwiderstandsbeiwert von unter 0,20 auf die Straße zu bringen. Im Automobilbau setzen uns am Ende die Grenzen der Physik ein Limit. Schaut man auf Beispiele aus der Natur für optimale Umströmung, findet man viel Inspiration. Denn Millionen Jahre Evolution zeigen sehr schön auf, wie ein Körper geformt werden muss, um sich widerstandsarm durch Luft oder Wasser zu bewegen. In der Literatur werden Pinguine mit einem cw-Wert von 0,07 zitiert, der sich durch besondere Oberflächeneffekte und dynamische Formanpassungen zeitweise weiter reduzieren lässt. Für unsere Zwecke in der Fahrzeugentwicklung können wir aber nur sehr begrenzt von diesen Naturphänomenen praktischen Gebrauch machen. Ein Auto hat eben eine andere Funktion als ein Pinguin. Und auch wenn wir Aerodynamiker von einem Fahrzeug träumen, das eine Grundform wie ein Haifisch besitzt: In unserem Alltag als ‚Formoptimierer‘ dominiert der Grundsatz ‚form follows function‘. Wobei die Funktion durch die Bedürfnisse unserer Kunden bestimmt wird: Wenn der Kunde einen hohen Nutzwert seines Laderaums benötigt, können wir nicht beliebig weit das Dach des Fahrzeugs absenken oder das Heck verschmälern, auch wenn dies für die Aerodynamik vorteilhaft wäre.“
Strömungsstrukturen am Heck des Fahrzeugs geben Aufschluss darüber, wie der cw-Wert reduziert werden kann.
Im sogenannten Nachlauf am Heck soll die umgelenkte Strömung von oberhalb und unterhalb des Fahrzeugs möglichst kompakt und geordnet hinter dem Fahrzeug zusammengeführt werden.
Strömungsstrukturen am Heck des Fahrzeugs geben Aufschluss darüber, wie der cw-Wert reduziert werden kann.
Im sogenannten Nachlauf am Heck soll die umgelenkte Strömung von oberhalb und unterhalb des Fahrzeugs möglichst kompakt und geordnet hinter dem Fahrzeug zusammengeführt werden.
„Ein Ziel unserer Arbeit als Aerodynamiker ist es, durch innovative technische Detailarbeit den Designern Freiraum für ihre gestalterische Kreativität zu geben. Dies funktioniert am besten, wenn wir Hand in Hand an den relevanten Fragestellungen arbeiten. Wir entwickeln die aerodynamischen Details eines Fahrzeugs von vorn nach hinten. Denn wenn vorn etwas schiefgeht von der Umströmung, können wir es hinten meist nicht mehr retten.“
„Am Vorderwagen trifft die Luft in der Mitte auf das Fahrzeug, geht über und unter dem Fahrzeug hinweg und strömt seitlich. Hier ist es eine große Kunst, den Übergang zur Seite so sauber wie möglich zu formen. Kurze Überhänge, das, was unsere Designer bei Elektrofahrzeugen so attraktiv gestalten, sind für uns Aerodynamiker eine wirklich große Herausforderung. Uns bleibt so wenig Fläche, um die Luft, die mit hoher Geschwindigkeit vorn ankommt, sauber zur Seite zu lenken. Daher arbeiten wir am seitlichen Bug mit Air Curtains. Diese Lufteinlässe fangen die Luft vorn quasi ein, saugen die Luft schnell in diese Tasche, die Strömung bleibt so schnell und eng am Fahrzeug anliegend und wird gezielt ins Radhaus gelenkt. Gäbe es diese Air Curtains nicht, wäre das Fahrzeug für die Luft breiter, was den cw-Wert verschlechtern würde.“
„Es klingt banal: Aber mit der Wasserfangleiste an der A-Säule können wir den Übergang von der Front über den Bogen zur A-Säule sauber ausgestalten und stark optimieren. Sonst gäbe es hier große aerodynamische Verluste. Anschließend kommt die Strömung beim Außenspiegel an. Der ist aerodynamisch gesehen eine echte Herausforderung. Bei einem konventionellen Außenspiegel wird die Strömung stark verdrängt und beeinflusst die restliche Umströmung bis weit hinter das Fahrzeug. Deshalb bin ich unglaublich glücklich, dass wir bei unseren Audi e-tron Fahrzeugen virtuelle Außenspiegel optional anbieten. Deren c w-Einfluss entspricht im WLTP-Zyklus einem Reichweitenvorteil zu konventionellen Außenspiegeln von etwa 2,5 Kilometern. Auf Landstraßen oder Autobahnen erhöht sich dieser Vorteil noch deutlicher.“
Die optionalen virtuellen Außenspiegel am Audi e-tron sind sehr strömungsgünstig. Ihr cw-Einfluss entspricht im WLTP-Zyklus einem Reichweitenvorteil zu konventionellen Außenspiegeln von etwa 2,5 Kilometern.
Mit unterschiedlichen Visualisierungsmethoden analysieren die Aerodynamik-Entwickler die Stärke der Wirbel in der Strömung.
Die optionalen virtuellen Außenspiegel am Audi e-tron sind sehr strömungsgünstig. Ihr cw-Einfluss entspricht im WLTP-Zyklus einem Reichweitenvorteil zu konventionellen Außenspiegeln von etwa 2,5 Kilometern.
Mit unterschiedlichen Visualisierungsmethoden analysieren die Aerodynamik-Entwickler die Stärke der Wirbel in der Strömung.
Unsere Audi Designer lieben es, einen schönen runden Zug von der Seite in das Heck hinein zu formen. Für die Aerodynamik ist das eine Herausforderung. Denn die Strömung weiß nicht wirklich, wo sie abreißen soll. Rund bedeutet immer wieder Instabilitäten: Mal reißt sie hier ab, mal dort, das sorgt für schlechte Aerodynamik. Aber natürlich können wir keinen Audi mit einem eckigen Heck gestalten. Also integrieren wir die Kanten für einen sauberen Strömungsabriss smart in die Heckleuchten, sie laufen entlang der Innengrafiken der Leuchten. So bleibt die Form der Außenhaut harmonisch, wir vermeiden unangenehme Brechungen des Lichts. Diese Abrisskanten auf den Heckleuchten sind ein perfektes Beispiel, wie wir Innovationen mit den Designern gemeinsam im Windkanal am Modell optimieren.
„Ich sage den Designern immer: Macht die Front rund und das Heck eckig. Leider gestalten sie es erst einmal immer umgekehrt… Denn für uns Aerodynamiker ist das Heck das Wichtigste. Hinter dem Fahrzeug entsteht ein Gebiet mit niedrigem Druck. Dieser Unterdruck saugt das Auto nach hinten und erzeugt so einen Widerstand. Unsere Aufgabe ist es, dieses Unterdruckgebiet am Heck so klein und kompakt wie möglich zu gestalten. Also versuchen wir am Heck alles schmal und klein zu formen: schmale Spur, Räder möglichst weit nach innen, möglichst schmalen Kofferraum. Und mit Heck- oder Dachspoilern justieren wir die Luftströmung so, dass sie nach der Umströmung des Fahrzeugs von oberhalb und unterhalb hinter dem Fahrzeug auf einer Höhe symmetrisch aufeinandertrifft. Deswegen kann schon ein Spoiler mit einer relativ kleinen Lippe einen sehr positiven Effekt auf den cw-Wert haben, weil er die Richtung der Abströmung korrigiert und den Nachlauf der Luft möglichst parallel und möglichst nah hinter dem Fahrzeug zusammenführt. Die gleiche Funktion am Unterboden übernehmen Bauteile, die wir im Bereich des Diffusors anbringen. Am Audi e-tron arbeiten wir sogar mit einem kleinen Reserveradmulden-Spoiler am Unterboden, der dafür sorgt, dass die Luft genau dort hinter das Heck geführt wird, wo die Strömung vom Dach auftrifft.“Die Funktionalität von Licht wird bei Audi permanent weiterentwickelt. Scheinwerfer, die Symbole auf die Straße projizieren, um andere Verkehrsteilnehmende vor Gefahren wie Glätte oder einem Unfall zu warnen, sind Teil einer Vision der Mobilität von morgen. Dem Lichtdesign sind kaum Grenzen gesetzt – lediglich die gesetzlichen Regularien stecken vorerst den zulässigen Rahmen dafür ab.
Ein Beispiel: Bei einem Audi e-tron Modell, das 2021 eingeführt wurde, sitzt an der seitlichen Fuge zwischen Seitenwandrahmen und Heckklappe eine Dichtung. Diese Dichtung allein bringt fünf Tausendstel in der cw-Verbesserung. Man würde meinen, es ist nur ein kleiner Spalt ohne diese Dichtung, aber die Druckverhältnisse zwischen Seite und Heck sind so intensiv, dass beim Übergang die Strömung in die Fuge gesogen wird und sofort für Verluste sorgt. Mit dieser Dichtung dagegen verbessern wir den cw-Wert um fünf Tausendstel. Das ergibt im WLTP-Zyklus etwa drei Kilometer mehr Reichweite. Man sieht: Auch kleine Details entscheiden die Zukunft.